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Arbeitsrecht

Mobbing am Arbeitsplatz

Unter Mobbing am Arbeitsplatz versteht man ein systematisches, gezielt unkollegiales Verhalten, sei es im Verhältnis von Mitarbeitern untereinander oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Es geht um den „Krieg am Arbeitsplatz“ und damit um die vielfältigen, mehr oder minder subtilen Methoden, mit denen ein Arbeitnehmer aus den unterschiedlichsten Gründen von Kollegen, Vorgesetzten, Arbeitgeber und/oder dem Betriebsrat „fertig gemacht“ wird.

Mobbing setzt psychische Aggression gegen eine Person voraus, die mindestens einige Monate andauert und in mehr oder weniger großen Abständen regelmäßig wiederkehrt. Das sind fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende feindselige Angriffe mit System, auch wenn sie nicht von Anfang an geplant waren.

Das Bundesarbeitsgericht hat Mobbing zunächst nicht als Rechtsbegriff, sondern als Umschreibung eines Sachverhalts verstanden: Gemeint sei „das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren“ von Arbeitnehmern. Inzwischen greift das Bundesarbeitsgericht zur Definition von Mobbing inhaltlich auf die Umschreibung des Begriffs „Belästigung“ in § 3 Abs. 3 AGG zurück: Wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt oder ein von Einschüchtereien, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (BAG 25.10.07, 8 AZR 593/06, NZA 08,213).

Die Bandbreite des Mobbings ist erheblich. Bekannte Formen des Mobbings sind

  • Angriffe auf das soziale Ansehen des Arbeitnehmers durch Anspielungen, Scherze, Gerüchte, Beleidigungen oder üble Nachrede.
  • Angriffe durch vermeintlich offen und ehrlich gemeinte Kritik oder versteckte Beanstandungen, wobei jede sachliche Diskussion über die Kritik oder die Beanstandungen bewusst vermieden wird, um dem Opfer die Möglichkeit zu nehmen, sich zu verteidigen.
  • Ignorieren des Opfers, Kontaktverweigerung, Missachtung der üblichen Höflichkeitsformen und Verweigerung selbstverständlicher Hilfen.
  • Angriffe auf die Gesundheit durch sexuelle Belästigung, Androhung oder Anwendung von Gewalt oder Zwang zu gesundheitsschädlichen Arbeiten.
  • Zuweisung minderwertiger, zielloser oder nicht zu bewältigender Arbeit sowie die Beschneidung von Entscheidungskompetenzen über „organisatorische Maßnahmen“.
  • übermäßige Kontrolle, Schikane und offene Diskriminierung.

Dem betroffenen Arbeitnehmer wird damit suggeriert, er sei fachlich/persönlich ungeeignet/minderwertig; er wird ausgegrenzt.

Der Arbeitgeber ist im Rahmen des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, das Persönlichkeitsrecht sowie die sonstigen Rechtsgüter seiner Arbeitnehmer wie Gesundheit und Ehre zu schützen. Bei Gesundheitsbeeinträchtigungen ergeben sich Schutzpflichten des Arbeitgebers aus den §§ 617 bis 619 BGB. Er ist verpflichtet, sicher zu stellen, dass seine Arbeitnehmer nicht gemobbt werden. Erlangt der Arbeitgeber Kenntnis von Mobbingaktivitäten, hat er umgehend Abhilfe zu schaffen.

Konkrete Handlungspflichten des Arbeitgebers ergeben sich aus § 12 AGG analog: Der Arbeitgeber soll unerwünschten Verhaltensweisen, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt oder ein von Einschüchtereien, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird, durch Aufklärung, Information und Schulung der Mitarbeiter vorbeugen. Gegen auftretende Mobbingaktivitäten durch Vorgesetzte oder Kollegen muss er geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen treffen. Sind Dritte für das Mobbing von Beschäftigten verantwortlich, muss er sich schützend vor seinen Arbeitnehmer stellen.

Das bedeutet: Wer als Vorgesetzter oder Kollege mobbt, verletzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Der Arbeitgeber muss gegen den Schädiger im Rahmen der Zumutbarkeit vorgehen und arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung ergreifen.

Von Mobbingaktivitäten betroffene Mitarbeiter können sich mündlich oder schriftlich mit einer Beschwerde an den Arbeitgeber, also an den Vorgesetzen, die Personalabteilung oder eine betriebliche Beschwerdestelle, sowie an die Arbeitnehmervertretung (Betriebsrat, Personalrat oder Mitarbeitervertretung) wenden.

Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, so gehört es zu seinen originären Aufgaben, aus Eigeninitiative vom Arbeitgeber die Ergreifung geeigneter Maßnahmen zu verlangen, um Mobbing zu unterbinden. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ist vom Betriebsrat zu schützen und zu fördern (§ 75 BetrVG). Im äußersten Fall kann der Betriebsrat von seinem Recht Gebrauch machen, die Versetzung oder Entlassung des mobbenden Arbeitnehmers aus dem Betrieb zu verlangen (§ 104 BetrVG). Diese Rechte kann der Betriebsrat auch vor dem Arbeitsgericht geltend machen (§§ 23 Abs. 3, 104 BetrVG).

Der in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzte und gemobbte Arbeitnehmer hat gegen den mobbenden Arbeitgeber, Vorgesetzen oder Arbeitnehmer einen Unterlassungsanspruch (§§ 1004 analog, 823 BGB). Auch die Beseitigung verursachter Verletzungen kann verlangt werden, wie etwa der Widerruf verletzender Äußerungen oder die Streichung unsachlicher, abwertender Formulierungen in Leistungsbeurteilungen in der Personalakte.

Dem gemobbten Arbeitnehmer kann aufgrund der Mobbingaktivitäten ein Schadenersatzanspruch gegen den mobbenden Kollegen/Vorgesetzten und/oder den Arbeitgeber zustehen:

Zunächst besteht für den gemobbten Arbeitnehmer die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht (241 Abs. 2 BGB), wegen Verletzung eines absoluten Rechts im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB (Gesundheits- und Persönlichkeitsrecht) oder eines Schutzgesetzes im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB geltend zu machen. Ob die sich regelmäßig prozesshaft entwickelnden Umstände den Schadenersatzanspruch begründen, ergibt sich nach allgemeinem Recht. Tun und Unterlassen gebotener Handlungen stehen gleich. Der Arbeitgeber haftet als selbst Mobbender oder nach § 31 BGB wegen Duldung von Mobbing aufgrund eigenen Verschuldens (§ 276 BGB) sowie für seine Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen (§§ 278. 831 BGB). Erfasst werden Vorsatz und Fahrlässigkeit in jeder Form. Der Vorsatz braucht sich nicht auf den Verletzungserfolg zu beziehen. Zu ersetzen ist der adäquat verursachte Vermögensschaden, wie etwa die Krankheitskosten oder der Verdienstausfall.

Schmerzensgeld kann das Opfer von demjenigen verlangen, der durch Mobbing sein Persönlichkeitsrecht verletzt. Es muss sich aber um eine schwerwiegende Verletzung handeln. Die Höhe der geschuldeten „billigen“ Entschädigung orientiert sich an dem Bruttoverdienst des geschädigten Arbeitnehmers. Bestimmend sind das Ausmaß des Verschuldens sowie die Art und Intensität der Beeinträchtigung. Unter Berücksichtigung von Dauer und Verlauf des Arbeitsverhältnisses sowie einer etwa bereits bezahlten Abfindung ist der Betrag so zu bemessen, dass der Arbeitnehmer Genugtuung erfährt. Schmerzensgeld kann auch verlangen, wer durch Mobbing eine Gesundheitsverletzung erleidet (psychische Krankheit, Depression, Schlafstörung oder psychosomatische Erkrankung) oder dessen sexuelle Selbstbestimmung im Einzelfall verletzt wurde.

Für Mobbingopfer gilt – wie für alle anderen Beschäftigten auch – der Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Damit werden Beschäftigte vor Benachteiligungen wegen eines Diskriminierungsmerkmals, vor Belästigungen, die im Zusammenhang mit einem Diskriminierungsmerkmal stehen, und vor sexuellen Belästigungen geschützt. Die Diskriminierungsmerkmale des AGG sind:

  • die Rasse und die ethnische Herkunft
  • die Religion und die Weltanschauung
  • eine Behinderung
  • das Geschlecht
  • die sexuelle Identität
  • und das Alter.

Wer seine Rechte nach dem AGG in Anspruch nimmt, darf deswegen keinen Nachteil erleiden. Auch Personen, die Beschäftigte dabei unterstützen, oder die als Zeugen in Benachteiligungsfällen aussagen, dürfen nicht benachteiligt werden (Maßregelungsverbot § 16 AGG).

§ 13 AGG begründet das Recht des Beschäftigten, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn er sich im Zusammenhang mit seinem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzen oder anderen Beschäftigten Dritten diskriminiert fühlt. Diese Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen.

Sind Beschäftigte von einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz betroffen, steht ihnen nach § 14 AGG das Leistungsverweigerungsrecht zu, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist, wenn der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung ergriffen hat. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass tatsächlich eine Belästigung vorliegt, sich der Betroffene zuvor bei der Beschwerdestelle beschwert hat und der Arbeitgeber über die Belästigung oder sexuelle Belästigung informiert wurde. Verweigert der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu Unrecht, muss er damit rechnen, seinen Vergütungsanspruch zu verlieren und eine Abmahnung oder eine verhaltensbedingte Kündigung zu erhalten!

Die Verletzung des im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz normierten Benachteiligungsverbots kann zu Entschädigungs- und Schadenersatzansprüchen gegen den Arbeitgeber nach § 15 AGG führen. Etwaige Ansprüche müssen aber innerhalb von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, eine andere Frist ergibt sich aus dem Tarifvertrag. Diese Frist beginnt zu laufen, wenn der Betroffene von der Benachteiligung Kenntnis hat.

Zu den typischen Straftatbeständen, die durch Mobbing erfüllt werden, zählt die Beleidigung (§ 185 StGB), die üble Nachrede (§ 186 StGB), die Verleumdung (§ 187 StGB), die Körperverletzung (§ 223 StGB) und die Nötigung (§ 240 StGB).

Dieser Beitrag wurde sorgfältig erstellt, dennoch kann eine Haftung für Fehler oder Auslassungen nicht übernommen werden. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit. Der Inhalt dieses Beitrages stellt keinesfalls anwaltlichen Rechtsrat dar und ersetzt auf keinen Fall eine auf den Einzelfall bezogene anwaltliche Beratung.

Rechtsanwalt Volker Nann