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Pferderecht

Recht auf Einsichtnahme in veterinärmedizinische Behandlungsunterlagen

Nach § 809 BGB kann derjenige, der gegen den Besitzer einer Sache einen Anspruch in Ansehung dieser Sache hat oder sich Gewissheit dazu verschaffen will verlangen, dass der Besitzer ihm die Sachen zur Besichtigung vorlegt oder die Besichtigung gestattet. Bei Untersuchungen kann es darum gehen zu prüfen, ob ein Schadensersatzanspruch gegen den untersuchenden Tierarzt bestehen könnte.

Da dieser Schadensersatzanspruch davon abhängt, ob zum Beispiel Röntgenbilder ordnungsgemäß erstellt und zutreffend ausgewertet wurden, ist eine Inaugenscheinnahme dieser Röntgenbilder erforderlich. Daraus wird ein berechtigtes Interesse des Pferdebesitzers an der Einsichtnahme in diese Röntgenbilder abgeleitet. Zusätzlich folgt dieses Recht auf Einsichtnahme auch aus einer vertraglichen Nebenpflicht aus dem Untersuchungsvertrag. Denn gerade aus der Natur der vom Pferdebesitzer in Auftrag gegebenen Ankaufsuntersuchung können sich umfangreiche Rechenschafts- und Informationspflichten des Tierarztes ergeben.

Die Unterschiede zum Einsichtsrecht in humanmedizinische Unterlagen sind recht gering. Die tiermedizinischen Dokumentationen stellen keine bloße Gedächtnisstütze für den Tierarzt dar, sondern sie sollen auch dem Tierhalter zur Entscheidung über eine etwaige Weiterbehandlung des Pferdes durch einen anderen Tierarzt oder zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen dienen. Es gehört zur allgemeinen Verantwortung des Tierhalters gegenüber dem Pferd, für die ordnungsgemäße Pflege und die gesundheitliche Versorgung des Pferdes zu sorgen. Hinzu kommen aber auch wirtschaftliche Interessen des Tierhalters, da Pferde einen mitunter erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen. Solche wirtschaftlichen Interessen werden zum Beispiel bei einer Ankaufsuntersuchung berührt, da die streitgegenständlichen Unterlagen im Rahmen einer Untersuchung erstellt wurden, die der Käufer zur Grundlage seiner Kaufentscheidung machen will. Die Behandlungs- und Krankenunterlagen enthalten die erhobenen veterinärmedizinischen Befunde, die angewendeten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sowie auch gegebenenfalls eine Prognoseaussage zum Gesundheitszustand bzw. zur Gesundung des Pferdes.

Der Tierarzt hat ein berechtigtes Interesse daran, zum Beispiel Röntgenbilder und sonstige Behandlungsunterlagen zu behalten, um sie gegebenenfalls zu seiner Verteidigung verwerten zu können oder selbst noch einmal begutachten zu lassen. Dies stellt ein grundsätzlich berechtigtes Interesse des Tierarztes dar, welches im Widerspruch zu dem Herausgabeverlangen des Pferdehalters stehen kann. Dieser Widerspruch kann dadurch gelöst werden, dass dem Pferdehalter auf seine eigenen Kosten Kopien dieser Krankenunterlagen gefertigt werden und zu überlassen sind. Dies gestattet dem Pferdehalter ein vertieftes Studium der Behandlungsunterlagen, ohne das die Interessen des Tierarztes beeinträchtigt werden.

Die Einsichtnahme in Röntgenbilder sowie die Untersuchungs- und Behandlungsdokumentation kann über einen bevollmächtigten Rechtsanwalt geltend gemacht werden, dem die Unterlagen übersandt worden. Der Rechtsanwalt bietet aufgrund seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege eine besondere Zuverlässigkeitsgewähr. Die Versendung stellt für den Tierarzt auch keine übermäßige Belastung dar, da der Anspruchsteller auch diese Kosten zu tragen hat und bei der heutigen Technik Kopien, z. B. auf einer CD, ohne großen Aufwand verschickt werden können.

Rechtsanwalt
Volker Nann