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Arbeitsrecht

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon am ersten Tag

Lange Zeit war strittig, ab welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom erkrankten Arbeitnehmer verlangen kann.

Gemäß § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz ist „der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen…“

Bis dato war zumindest strittig, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon vor Ablauf des dritten Krankheitstages verlangen kann und ob hier zwischen den Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitsnehmers angemessen abgewogen werden muss. Im November 2012 hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass der Arbeitgeber die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am ersten Tag der Erkrankung des Arbeitnehmers verlangen kann. Gestützt wird diese Rechtsprechung auf den zitierten § 5 Abs. 1 Satz 3 EntgfG: Das dort eingeräumte Recht stehe nicht im gebundenen Ermessen des Arbeitsgebers.

Insbesondere ist es zum Beispiel nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Tarifliche Regelungen stehen dem Recht des Arbeitgebers nur entgegen, wenn sie dieses Recht des Arbeitgebers ausdrücklich ausschließen. Dies wird nur selten der Fall sein.

Eine solche Forderung des Arbeitgebers, dass bereits ab dem ersten Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen ist, ist somit grundsätzlich gerechtfertigt, kann sich allerdings auf das Arbeitsverhältnis selbst negativ auswirken, da der Arbeitnehmer, der tatsächlich krank ist, eine solche Forderung als Ausdruck des Misstrauens interpretieren könnte. Ob und in welchen Fällen die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon zu einem so frühen Zeitpunkt angefordert wird, sollte daher wohl überlegt sein.

Rechtsanwalt
Volker Nann